Praeceptor Germaniae
Ein strenger Lehrer: Ich hatte einen Lehrer, der ein ausgezeichneter Grammatiker war. Er führte mich an die Grammatik heran, und er tat es so, dass ich Satzbaupläne machte. Er zwang mich, die Regeln des Satzbaus an zwanzig oder dreißig Vergilversen wiederzugeben. Nichts ließ er mich übergehen. Wenn ich mich irrte, verabreichte er mir Schläge, aber doch mit der Zurückhaltung, die angebracht war. So machte er mich zum Grammatiker. Er war ein sehr tüchtiger Mann und hatte mich lieb wie seinen Sohn, und ich ihn wie meinen Vater. Ja, jener wurde von mir geliebt, obwohl er so streng war. Indes war es keine Strenge, sondern eine väterliche Züchtigung, die mich zur Gründlichkeit anhielt. Abends wurde ich gezwungen, mir die Regeln einzuprägen, damit ich sie aufsagen konnte. Ihr seht, dass der Unterricht strenger war als er jetzt ist. Literatur und Bildung: Es liegt nicht wenig daran, an welcher Art von Literatur sich die jungen Leute bilden, sowohl aus vielen anderen Gründen, als ganz besonders deshalb, weil nichts wirksamer ist, die geistigen Fähigkeiten und den Charakter der Menschen zu verändern, als literarische Werke. Denn fast stets ist ein jeder so, wie ihn sein Bildungsgang formt, und kein Werk der Literatur scheint mir gut außer denen, die sich das Gute zum Ziel gesetzt haben. Daher ist es vordringlich, die Jugend an den besten Schriften zu bilden, denn den besten Charakter schaffen die besten Bücher. So bleibt also übrig, ihr jungen Männer, dass ihr euch etwas zutraut, wiewohl die Sache sich so verhält, dass schwierig ist, was schön ist. Trotzdem wird euer Fleiß mit der Schwierigkeit so fertig werden, dass ich hoffe, ihr werdet euch mit weitaus geringerer Anstrengung das Gute aneignen als das Schlechte.
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